Gut zwei Wochen nach meinem Schlechtes-Gewissen-Ausflug zum Rechelkopf machte ich mich dann im Mai frühmorgens zögerlich von Wegscheid auf zum Brauneck (die Bahn war natürlich noch geschlossen) und über den Grat immerhin bis zum Latschenkopf. Es dauerte danach allerdings noch einmal zwei Wochen, bevor die Sommersaison für mich richtig begann – und zwar mit einer Tour zum Seekarkreuz und weiter zum Brandkopf. Zum Ochsenkopf, auf dem ich noch nie war, habe ich es allerdings wieder nicht geschafft – der Aufstieg zum Spitzkamp war mir ohne Stöcke an dem Tag zu rutschig. Ab jetzt war ich oft auf der Suche nach neuen Wegstrecken zu bekannten Zielen; beispielsweise ging es zum Wendelstein über den Schweinsberg. Selten habe ich den Wendelstein so leer erlebt; trotzdem wurde mir spätestens hier am Gipfelaufstieg klar, dass das mit den anderthalb Metern Abstand am Berg nicht durchzuhalten sein würde. Die Woche drauf ging es, erneut am frühen Morgen, auf dem klassischen Weg über die Geitauer Alm hinauf zum Aiplspitz, dann aber über den nicht beschilderten Steig zu Krottenthaler Alm und über den – seufz – langen Fahrweg zurück. Der Monat endete nur zwei Tage später mit einem noch längeren Fahrweg: Nachdem ich bereits einmal mit dem Versuch gescheitert war, die Hohe Kisten über wilde Wege zu besteigen, ging ich klassisch durchs Pustertal hinauf – und machte dann beim Abstieg den zwar hübschen, aber doch arg langen Schlenker durchs Kesseltal.
Auch im Juni ging es zunächst auf deutscher Seite weiter: vom Pflegersee oberhalb von Garmisch startete eine Sechs-Gipfel-Runde (höchster Punkt: der Vordere Felderkopf) in einem Gebiet, das ich tatsächlich noch gar nicht kannte. Es war eine wunderbare, ziemlich einsame Tour mit ein wenig Wegsuche in Abstieg zur Enningalm… wo man dann mit in Mountain Bike Central stand. Aber der weg durch den Sulzgraben war dann wieder recht still. Bekannter war mir hingegen der Hochgern, aber auch hier fand ich einen ungewöhnlichen Weg: über die Jochberg- und Grundbachalmen. Bei letzterer wurde ich mit der Live-Darbietung eines Murmeltier-Revierkampfs belohnt! Als nächstes ging es zum Wildalpjoch, wiederum nicht gerade im Direktaufstieg: von der Sudelfeldstraße ging ich zunächst zur idyllischen Arzmoosalm und weiter zur Mitteralm an der Wendelsteinbahn, dann die wild wirkende Piste hinauf zur Soinhütte. An einem ständig mit Regen drohenden Samstag ging es von Fleck hinauf zur Hochalm, so dass ich jetzt alle vier Zustiege zur Hochalm abgehakt habe. Den wilden Weg weiter zum Gerstenrieder Kopf hingegen konnte ich nicht auf Anhieb finden und bin dann angesichts von Wetterleuchten hinterm Juifen doch lieber umgekehrt. Am Tag darauf war das Wetter weitaus besser, und zum ersten Mal in der Saison konnte ich die Grenze nach Tirol überqueren. Weil ich noch etwas von der Alpenrosenblüte in den Tuxer Alpen mitbekommen wollte, bin ich nach Weerberg gefahren und – mit einem mir bisher unbekannten Schlenker über die Lafasteralm – zum Gilfert aufgestiegen. Und ja, die Alpenrosen blühten noch. Aber das war nur der Anfang einer „Tirol-Trilogie“; daher ging es tags darauf noch von Norden aus dem Nesseltal zum Trainsjoch – und, naja, der Weg war nicht neu für mich, aber ich hatte vergessen, was für ein heftiger Latschenkampf das ist… Und nochmal zwei Tage später gab es die wildeste Nachmittagstour: Bei brüllender Hitze bin ich vom Thiersee aus auf einem wilden Weg (teils wild, teils nicht existent, um ehrlich zu sein) übers Dreibrunnenjoch steil hinauf zum Pendling. Sehr lohnend, aber sicher besser wenn man sich Zeit nehmen kann, den idealen Weg zu finden.
Und dann war schon Juli. Erneut auf einem „wilden“, aber fast immer gut erkennbaren Weg, ging es von Grattenbach über die Schoßrinnalm zur überraschend großen Hochfläche des Zinnenbergs und weiter zum Brandelberg. Tags drauf wurde es wieder etwas ambitionierter: Die erste „große“ Tour des Jahres führte mich von Inneralpbach auf den Großen Galtenberg (und als Abstecher beim Abstieg auch auf den Kleinen). Obwohl nun Hochsommer war, fand ich die erste Stunde auf dem schattigen Westhang echt kalt; danach wurde es zum Glück schön sonnig. Nach diesem langen, aber braven Weg ging es als nächstes wieder unausgeschildert weiter: von Süden aus der Gießenbachklamm über den Kaufmannkaser zum Brünnstein. Ich war zudem auch noch nie den Nicht-Klettersteig zum Gipfel gegangen, so dass ich doch einiges Neue auskundschaften konnte. Als Nächstes sollt es wieder etwas länger werden: Ich wollte es endlich mal zur Pyramidenspitze schaffen. Hat auch geklappt, obwohl sich diesmal ein auf der Karte ganz normal verzeichneter Weg als sehr wilder Steig entpuppte (der Abschnitt Hechleitalm-Kerneckhütte). Leider war dann alles neblig, als ich endlich oben ankam; aber ein paar Tiefblicke in Richtung Walchsee gab es doch noch. Ein weiterer Gipfel von der langjährigen „To-Do-Liste“: der Friederspitz bei Garmisch. Über den nicht wirklich ausgeschilderten, aber gut zu gehenden Weg vom Friedergrieß ging es rauf, über die Friederalm wieder runter. Leider war das Wetter eher mau, so dass ich mir den Abstecher zum benachbarten Frieder gespart habe. Am nächsten Tag eine weiter große Tour des Jahres: von Heiterwang über den Jochplatz zum Thaneller. Zunächst war ich hier morgens ganz allein unterwegs, und nachdem die lange Querung am Bergwachtsteig mich schon gefordert hatte, war ich mir gar nicht sicher, ob ich den schwierigen Steig zum Gipfel in Angriff nehmen sollte. Aber dann tauchten doch noch mehr Wanderer auf und ich ließ mich mitreißen. Eigentlich fand ich den Steig jetzt weniger schwierig als die heikelsten Stellen des Bergwachtsteigs, aber am Gipfel war ich dann doch fix und fertig. Ich bin dann nach Berwang abgestiegen und zum Almkopf raufgegangen, wo ich mir die einzige Seilbahnfahrt des Jahres zurück ins Tal gegönnt habe. Zurück zu meiner To-Do-Liste und damit zum Malgrübler. Das war so ein Tag, an dem das Wetter sehr, sehr langsam immer schlechter wurde, so dass ich nie wirklich das Gefühl hatte, umdrehen zu müssen – dann aber, am Gipfel angekommen, leider doch schnell wieder runter wollte. Natürlich besserte sich das Wetter nach ein paar Hundert Höhenmetern Abstieg sofort wieder… Ebenfalls nur mäßig, aber deutlich stabiler, war das Wetter ein paar Tage später bei meinem einzigen Ausflug des Jahres zum Achensee, genauer: von der Gramaialm über den Lunstsattel und den unbeschilderten Steig über die Südflanke zur Rappenspitze. Den Gipfelanstieg über die Felsen fand ich am Ende allerdings sogar angenehmer als den Abstieg auf dem Normalweg, der sehr rutschig war. Und im strömenden Regen habe ich am nächsten Tag den Wallberg umrundet – auch ein Erlebnis. Das genau meteorologische Gegenteil gab es drei Tage später, als ich in brütender Hitze nach morgendlichem Home Office am späten Vormittag in Schlehdorf in Richtung Heimgarten aufgebrochen bin. Angesichts der Hitze bin ich dann doch noch deutlich vorm Gipfel rechts abgebogen in Richtung Herzogstand. So richtig froh war ich, als ich auf dem Pionierweg wieder in den Schatten kam!
Nächstes Mal: August-Dezember
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