Der Mai war geprägt von typischen Frühjahrstouren. Aber obwohl ich wegen der vielen umgestürzten Bäume im April sehr skeptisch war – oder vielleicht auch deshalb, da es sich auf meine Tourenauswahl auswirkte -, gab es wochenlang kaum Probleme. Der Schafkopf von Farchant, eine Tour, die praktisch zur Gänze durch den Wald führt, war völlig unproblematisch. Von Sachrang aus war zwar ein Weg in Richtung Spitzstein gesperrt, aber das war ohnehin nicht der, den ich nehmen wollte. Auf dem Weg vom Sylvensteinsee zur Hochalm lagen zwar ein paar Bäume im Weg, aber sie waren leicht zu übersteigen. Und von Garmisch zum Kreuzeck und zu der (anderen) Hochalm ging es auch ohne Schwierigkeiten; der Weiterweg zum Osterfelderkopf war allerdinsg wegen Lawinengefahr gesperrt… am 30. Mai. Zweimal musste ich aber doch umplanen: Der Abstieg vom Seebergkopf am Wackbach entlang nach Bayrischzell war behördlich gesperrt. Und einmal war ich von Bad Wiessee zum Fockenstein gewandert und wollte über den Geierstein weiter nach Lenggries. In der Ostflanke des Geiersteins lagen aber so viele Bäume herum, dass kein Durchkommen war – ich musste umkehren und über den ausladenden Fahrweg durchs Hirschbachtal weiter nach Lenggries.
Anfang Juni hatte ich mir grob den Kramer über die Stepbergalm vorgenommen, bin dann aber wegen der Restschneelage „nur“ zum Hirschbichel gegangen – eine hervorragende Entscheidung, denn wie sich herausstellte, ist der Hirschbichel ein sehr schöner, ziemlich einsamer, völlig unterschätzter Gipfel. Und so wahnsinnig viele für mich neue Gipfel finde ich in den bayerischen Alpen eh nicht mehr… Am Tag drauf ging es dann auf einen mir bekannten Gipfel, aber auf zumindest teilweise unbekanntem, urigem Weg: über die Kochleralm zum Rabenkopf. Mehr Baumklettereien waren dann noch einmal am Weg zum Feichteck notwendig. Dann ein erstes Sommer-Highlight: An einem Freitagabend wollte ich nach der Arbeit noch schnell irgendwo hin… und bin spontan von Fleck zum Seekarkreuz gegangen. Aber was musste ich mich beeilen, um noch etwas vom Sonnenuntergang am Gipfel zu haben! Eine meiner besten Leistungen des Sommers. Zwei Tage später gab es dann eine kurze Tour zum Vorderskopf, wo mich die völlige Abwesenheit von Wegweisern etwas verunsicherte – aber der Weg war hervorragend zu gehen. Als nächstes ging es, ohne besondere Vorkommnisse, vom Ursprungpass über die Ascherjochalm zum Trainsjoch. Kann man bei Sonnenschein die Kampenwand besteigen, ohne Menschenmassen zu begegnen? Nein, aber man kann den Kontakt sehr gut minimieren, indem man von Aigen hochgeht und hinter der Steinlingalm noch den Schlenker über die Südflanke macht. Gesagt, getan. Danach das nächste supertouristische Ziel, diesmal aber auf dem normalsten Weg: der Wendelstein von Osterhofen über Hochkreut. Schon dabei war das Wetter eher mäßig, aber am nächsten Tag hat mich der Wetterbericht vollends im Stich gelassen: Bei Wolken losgegangen, die sich eigentlich auflösen sollten, stand ich dann im Nebel und Regen am Steinernen Tor über dem Achensee, weswegen ich mir den Weiterweg zur Hochiss gespart habe. Zum Ausgleich ging es unter der Woche bei strahlendem Sonnenschein durchs Notkar zur Notkarspitze – eine wunderschöne Tour, bei der ich an diesem extrem heißen Tag allerdings ein bisschen zu wenig Wasser dabei hatte. Der lange Abstieg war daher keine ganz so große Freude mehr. Zum Monatsende gab es ein „langes Wochenende“: freitags nachmittags aus dem Jenbachtal zur Rampoldplatte – eine Tour über einen zugewachsenen Fahrweg, bei der ich hauptsächlich Sorgen hatte, mir eine Zecke einzufangen. Samstags wollte ich von Benediktbeuern zur Benediktenwand, aber weil der Weg, der auf dem Kompass-Karte eingezeichnet ist (455A), so einfach nicht existiert, habe ich es nach einigem Suchen nur bis zur Tutzinger Hütte geschafft – war am Ende nicht die längste Tour des Sommers, kam mir aber so vor. Am Sonntag wollte ich dann keine Experimente eingehen und bin durchs Schinderkar zum Schinder aufgestiegen – da wusste ich wenigstens, dass der Weg existiert.
Nach dem doch recht intensiven Juni war der Juli dann erstaunlich ruhig: nur acht Touren – und davon waren drei nur kleinere Exkursionen am Freitag-Nachmmitag, die mir mein Arbeitgeber dieses Jahr nahegelegt hatte, indem er ihn zur arbeitsfreien Zone erklärt hatte. Einen Freitag ging es von Unterammergau zum Teufelstättkopf, und zwar auf dem für mich neuen Weg über die Kühalpe – ein wunderbarer Weg und Gipfel im Abendlicht. Die anderen beiden Freitage waren eher die Klassiker dran: zum Roßstein und zur Tegernseer Hütte; und einmal zum Geierstein, der inzwischen wieder von umgestürzten Bäumen befreit war, aber auf dem kurzen Weg von Lenggries. Und dann waren da noch die Ganztagestouren: Auf der Suche nach neuen Wegen ging es einmal von Altjoch aus in Richtung Herzogstand – eine kleine Odyssee aus sich kreuzenden Fahrwegen ohne Wegweiser -, wobei die Tour aus logistischen Gründen (Busfahrplan und aufziehende Regenwolken) schont am Martinskopf endete. Ein andermal bin ich von Brixen im Thale aus das Brixenbachtal entlanggelaufen, um am Ende zum Gampenkogel aufzusteigen. Und auch zum Gilfert habe ich noch Wegstücke gefunden, auf denen ich noch nicht gelaufen bin: von der Schellenbergalm zum Loas und über die Gamssteine, überwiegend durch diese unfassbaren Alpenrosenfelder, die für die Gegend typisch sind. Am Largoz war ich auch noch, diesmal „von hinten“ über die Wattenspitze – quasi weglos, aber zum Glück unproblematisch. Und einen ganz neuen Berg gab es für mich auf noch: die Kreuzspitze in den Ammergauern – ein Berg, der eigentlich schon lange auf meiner Liste stand, aber zu dem ich trotzdem auch diesmal nur versehentlich kam, weil ich einen Ausweichberg brauchte, als meine eigentlich geplante Tour ausfiel, weil ich die Busfahrplan-App nicht vernünftig gelesen hatte.
Diese Tour habe ich aber gleich Anfang August nachgeholt: eine Überschreitung der Kohlbergspitze vom Heiterwanger See (dorthin mit besagtem Bus) vom Pitzental nach Bichlbach. Und was soll ich sagen, es war definitiv ein Highlight des Jahres: der Weg durch dieses einsame Hochtal, dann die doch sehr ruppige Gipfelbesteigung, der Blick auf den Plansee und dann später die Lechtaler… großartig. Weiter ging es wieder mit einem „langen“ Wochenende: Der Freitag war der einzige in diesem Sommer, an dem ich Kollegen motivieren konnte, am freien Nachmittag doch mal mit auf den Berg zu kommen – und zwar zum Staffel in der Jachenau. Allerdings hatten wir uns dafür den heißesten Freitagnachmittag überhaupt ausgesucht… Am Samstag hingegen gab es jede Menge Nebel und ein wenig Sprühregen, was der Wetterbericht allerdings nicht vorhergesehen hatte – weswegen ich nach dem Aufstieg von Nußdorf zum Heuberg etwas ernüchtert mitten in den Wolken stand und wieder nicht zum Kitzstein oder zur Wasserwand gekommen bin. Am Sonntag dagegen schien wieder die Sonne aus strahlend blauem Himmel, und für mich ging es zum Guffert, aber im großen Bogen vom Waldfrieden aus – eine total einsame Tour… bis man knapp unterm Gipfel auf den Südanstieg trifft. An Mariä Himmelfahrt ging es von Urschlau (ein Name, der meinen Mitwanderer die halbe Strecke lang hat kichern lassen) zum Gurnwandkopf. Als nächstes war das Grasköpfel im Rißtal an der Reihe – ein Berg, auf dem ich tatsächlich noch nie gewesen war. Wie hatte ich den bisher übersehen können? Er entpuppte sich als netter, typischer Vorkarwendel-Gipfel. Am Tag darauf hatte ich hingegen etwas größeres vor: Zwei Kollegen waren sehr unterschiedlicher Meinung darüber, wie schwierig der Aufstieg über den Söllerpass zur Meilerhütte ist. Also musste ich das begutachten und ein Urteil fällen. Es lautete: Ja, ist schon anspruchsvoll, bergab hätte ich keine Lust darauf. Aber der Abstieg durchs Bergleintal hat mich eigentlich mehr fertig gemacht – er schien mir endlos. Die Woche darauf bin ich samstags erstmal zu spät aufgestanden, wollte dann aber von meinem Plan nicht abrücken und bin so weit gefahren… bis ich aus Zeitgründen doch von meinem Plan abrücken musste. So bin ich nur noch zum unspektakulären Thaurer Roßkopf gekommen, immerhin ein mir bisher unbekannter Berg, aber halt auch in Begleitung von halb Innsbruck. Zum Ausgleich wollte ich am Sonntag wenig fahren, aber weit gehen: von Pessenbach (diesmal wirklich) zur Benediktenwand und rüber nach Lenggries. Leider war das Wetter… unstet. Nach sonnigem Aufstieg regnete es am Gipfel leider sehr ordentlich und machte den speckig-felsigen Abstieg in Richtung Lenggries unangenehm rutschig. Beim Gegenanstieg zum Latschenkopf war es dann wieder sonnig, brütend heiß und schwül. Und später auf dem Weg von der Seilbahntalstation zum Bahnhof Lenggries kam ein Gewitter immer näher… Perfekt ruhiges Begwetter hingegen hatte ich am letzten Augusttag – und das habe ich ausgenutzt für die konditionell anspruchsvollste Tour meines Jahres: von Brandberg zum Brandberger Kolm, 1600 Höhenmeter rauf und wieder runter. Aber die Tour ist so abwechslungsreich – talnahe Bergwiesen, Wald, Hochalmkessel, Alpenrosen/Latschenkiefern, felsiger Grat, Gipfelanstieg -, dass man die Höhenmeter gar nicht so richtig spürt. Und die Aussicht! Es war wunderbar.
Nächstes Mal: September-Dezember
[…] Was bisher geschah. […]